Archiv für den Monat: November 2016

Investoren pflanzen nun mal keine Bäume

Briefe (an die lokale Presse) zur Planungswerkstatt HBF Nord, Oktober 2016

Cornelia Wimmer 8. November 2016

Lob für schöne Ideen aus der Planungswerkstatt spendete Dezernent Wilde. Um gleich eine herauszustellen: „Eine attraktive Einrichtung wie ein Museum, das Publikum zieht“. – Tun das die Dortmunder Museen? Sind nicht mangelnder Publikumsandrang und entsprechend hohe Unterhaltungskosten das Problem der meisten Dortmunder Museen, durch aufwändige Museumsnächte z.B. nur unwesentlich gemildert?
Ich habe einen ganzen Tag – den zweiten nicht – an der entsprechenden Arbeitsgruppe teilgenommen. – Der Wunsch nach einer Großimmobilie wurde dort nicht ein einziges Mal geäußert. Stattdessen der Wunsch nach viel Grün, einer spürbaren Verbindung zum gegenüber liegenden Keuning-Park und nach lebendig-urbaner Nutzung .
In Dortmund ist es Praxis, wo immer ein paar Kubikmeter Luft zusammenkommen, eine Großimmobilie zu errichten. Ob man das so toll findet oder ob man den finanziellen Verlockungen von „Investoren“ nicht widerstehen kann, sei dahingestellt.
Jedenfalls verhindern Großbauten dieser Art regelmäßig jenes urbane Leben, das Dortmund wie nichts anderes fehlt. Eine strukturierte Grünfläche, gegebenenfalls mit Kleingastronomie, würde solches ermöglichen und dem Platz künftig jene Ödnis ersparen, die heute den Boulevard Kampstraße und den Osten-bzw. Westenhellweg nach Geschäftsschluss auszeichnen.
Aber Investoren pflanzen nun mal keine Bäume.

Wolfgang Richter 4. November 2016

Die „Planungswerkstatt“ ist gelaufen und das „Ergebnis“ scheint die Verwaltung sehr zufrieden zu stellen, wahrscheinlich entspricht es ihren skizzenhaften Vorstellungen ziemlich genau.
So heißt es, der Zentrale Omnibus Bahnhof (ZOB) „ist gesetzt“ – er soll in jedem Fall bleiben, nur eben sieben Meter höher, auf der Ebene der Gleise. Beim Umsteigen hilft das nicht, im Gegenteil. Dem Klimahaushalt schadet das eher als dass es nützt – Diesel-Abgase und sonstige Verunreinigungen fallen nach unten anstatt nach oben zu fliegen. Die notwendige Steigung bei der Auffahrt und das Gefälle bei der Abfahrt beanspruchen die Bus-Motoren zusätzlich ganz massiv, von der Lärmbelastung zu schweigen.
Der katastrophische Planungsfehler „ist gesetzt“ – komisch, wo doch nur wenige von der DB auf den Fernbus umsteigen und umgekehrt. Warum wurde nicht ernsthaft nach einem Autobahn-nahen und ÖPNV-direkten Standort gesucht? Wahrscheinlich wird wieder versichert werden, dass der ZOB hier am Übergang zur Nordstadt ja nur ein Provisorium sei …

 

Garten statt ZOB wirkte an Planungswerkstatt zur Bahnhofsplanung mit

Am 24.-28. Oktober 2016 fand im Dietrich Keuning Haus die „Planungswerkstatt Dortmund Hauptbahnhof Nord“ statt. Einige Mitglieder und Freunde des Projektes Garten statt ZOB wirkten daran mit und brachten ihre Ideen in den Werkstattgesprächen und Planungsüberlegungen ein.

Doch was ist die Essenz des „Garten statt ZOB“-Projektes?

Die Projektinitiative entstand als Kritik und Widerstand gegen die Verlagerung des Zentralen Omnibus Bahnhofs (ZOB) auf die Nordseite des Bahnhofs. Die Anlage des ZOB war Folge der Anlage des Fußballmuseums auf der Fläche des ehemaligen ZOB auf der Südseite des Bahnhofs im Jahr 2010.

In Betrieb genommen wurde der ZOB im März 2012. Wir befürchteten die völlige Versiegelung und Zerstörung der Grünfläche auf der Nordseite, besetzten eine kleine Fläche und legten einen Garten an, kenntlich gemacht durch ein Hinweisschild „Garten statt ZOB“. Und wir hegten und pflegten diese Fläche in den folgenden Jahren.1001garten_04_k

 

Seitdem der ZOB in 2013 seinen Betrieb aufnahm, ist der Fernbusverkehr stark gestiegen – damit verbunden stiegen auch Verkehrsbelastung, Luftschadstoff- und Lärmemissionen im Umfeld. In seiner Antwort auf eine Anfrage der BV Nord zum Verkehrsaufkommen am ZOB Standort Steinstraße bemisst das Stadtplanungsamt die Zunahme des Busverkehrs am ZOB Nord von 90 (in 2013) auf 168 Busse (2014 = ein Zunahme von 87%) an einem Durchschnittstag sowie eine maximale Tagesbelastung von 130 (in 2013) auf 224 (in 2014 = eine Zunahme von 72%) (Antwort der Stadtverwaltung vom 08.09.2014 auf die Anfrage der BV Nord vom 28.03.2012 und 05.02.2014 zum Verkehrsaufkommen am ZOB Standort Steinstraße (Drucksache 04555/11/E2). Über das Jahr 2014 gemittelt liegt der Durchschnittswert bei 168 Bussen, die den ZOB täglich berühren. Im ersten Halbjahr 2015 liegt dieser Wert bisher bei 171.

Die Anlage des ZOB ist eine Folge der Liberalisierung des Fernbusverkehrs, die die Bundesregierung mit Wirkung seit Januar 2013 beschlossen hat und die mit Blick auf eine ökologisch anstehende Verkehrs- und Energiewende in die komplett falsche Richtung geht. Dass der ZOB und die damit verbundenen Verkehrs-, Luft- und Lärmbelastungen in die Nordstadt abgeschoben wurden, in einen dicht bebauten Bereich und inmitten einer ausgewiesenen Umweltzone, war eine städtische Entscheidung und ist immer noch inakzeptabel.

Die Bahnhofsplanung muss sich auch mit den Themen Verkehrs- und Energiewende auseinandersetzen und Antworten darauf finden. Stichworte sind hier Senkung des Energieverbrauchs und Reduzierung von Verkehrsströmen, Einsatz regenerativer Energieträger, Förderung des Umweltverbundes, Förderung des zu Fuß Gehens und der Radnutzung, Senkung von Lärmbelastungen usw.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die provisorische Ausstattung des ZOB, der jetzt schon 4 Jahre währt (!), und dessen mangelhafte Infrastruktureinbindung. Es gibt nur eine Toilette im ZOB-Container, die gebührenpflichtig ist und nach 22 h verschlossen ist. Reisende treffen dort aber zu Tag- und Nachtzeiten an oder reisen von dort ab. Es ist eine unwürdige Situation für die Fahrgäste und eine Zumutung für das Umfeld, das nicht näher beschrieben werden muss.Die Einbindung und Anbindung des ZOB muss deshalb erheblich verbessert werden.

Die „Garten statt ZOB“-Gruppe pflegt seit fünf Jahren die Gartenparzelle, pflanzt neu und setzt damit die Idee eines ästhetisch ansprechenden Gartenstücks der Ödnis der übrigen Bereiche entgegen. Die kleine Fläche ist auch ein „ökologischer Trittstein“ mit Pflanzen, die Schmetterlinge und Bienen anziehen.14maizob

 

Wir möchten, dass diese Idee des Gartens aufgenommen und weiterentwickelt wird und die Planung an den Bestand anknüpft. Zum Beispiel begrüßen die schönen Kirschbäume und die Linde am Bahnhofsausgang Nord seit Jahrzehnten, insbesondere während ihrer Blütezeit, die im Norden Ankommenden mit ihrem schönen Anblick und betörenden Duft.

Ideen wie Urban Gardening, essbare Stadt gehen in eine Richtung, wie wir sie uns wünschen: Freiflächen und Freiräume in der Stadt, wo wir nicht (nur) Konsumenten sind, wo wir uns aufhalten, einander begegnen, aber auch innehalten können, wo auch „Natur“ erfahrbar ist.

Die „Garten statt ZOB“-Leute treffen sich regelmäßig, mit einer Biertischgarnitur, Kaffee, Tee, Wasser, selbst gebackenem Kuchen, Tassen und Tellern am „Garten statt ZOB“. Wir laden Passanten ein, sich dazuzusetzen. Die meisten sind erstaunt über diese unerwartete Erfahrung, hier einen Ruhepol zu finden, zu einem Gespräch und einem Getränk eingeladen zu werden, ohne dafür zahlen zu müssen oder als Kunde umworben zu werden. Wir erfahren in den Gesprächen mit den Leuten einiges, wer hier ankommt, wegfährt oder weiterzieht und schärfen unseren Blick, wie die Fläche genutzt wird. Und wir hören viele Lebensgeschichten.

Wie kann diese Freifläche für viele Menschen nutzbar sein? Welche Bevölkerungsgruppen gibt es, die den Bahnhof und das Umfeld nutzen? Wie können ihre Erfahrungen, ihre Bedürfnisse und Ideen in den Prozess eingespeist werden? Dazu gehören z.B. auch die Mitarbeiter all der Läden und Stände im Bahnhof, die Reisenden von Bahnhof, Stadtbahn und ZOB, die Nutzer der anliegenden Einrichtungen, und nicht zuletzt die Anwohner, Fußgänger, Radfahrer usw. Wie können an dem Planungsprozess betroffene, aber noch nicht im Blick befindliche Bevölkerungsgruppen beteiligt werden? Welche möglichst „niedrigschwelligen Beteiligungsmethoden“ bieten sich hier an?

Die Grünfläche am Bahnhof ist bisher namenlos – das muss so nicht bleiben. Die entstehende Freifläche braucht ein ansprechendes und einladendes Antlitz und einen Namen. Wer eignet sich am ehesten als NamenspatIn?

Stadt braucht Widerständigkeit und Freiräume. Wir haben sie uns genommen und eine Reihe Unterstützer gefunden. Wir mischen uns immer wieder politisch ein durch Anfragen, Anregungen oder eben in der Planungswerkstatt im Oktober im Dietrich Keuning Haus.

Den „Garten statt ZOB“ haben wir im Planwerk sichtbar verankert und wünschen uns, dass die Essenz unseres Vorhabens in den Planungen weiterentwickelt wird.

Wiebke Claussen